Archiv der Kategorie: Zukunft:Migration

Zur Veröffentlichung des aktuellen Integrationsberichts und der Handlungsempfehlungen des unabhängigen Expertenrats für Integration

In seinem 54-seitigen Papier erarbeitet der unabhängige Expertenrat für Integration aus wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den Themen Migration und Integration Empfehlungen für politische Maßnahmen, die dann der Arbeit das Staatssekretärs für Integration, Sebastian Kurz, zugrunde liegen sollen. Dieser betont auch entsprechend die Bedeutung der wissenschaflichen Expertise für ein Thema, das gesellschaftlich nicht immer sachlich verhandelt wird. „Gerade bei einem oftmals emotional behafteten gesellschaftspolitischen Thema müssen Fakten und eine umfassende Expertise für sich sprechen, fernab von Ideologie und festgefahrenen Dogmen“, heißt es in seinem Vorwort.

Im Kreis um Heinz Fassmann, dem Vorsitzenden des Expertenrats, wird daher auch gerne von Evidenz gesprochen – also der besten verfügbaren Belegbarkeit von Sachverhalten. Ein evidenzbasiertes Vorgehen allerdings sollte das Ratgeben möglichst ausschließen und die Schlussfolgerungen PraktikerInnen der realen Welt – hier der Politik – überlassen. Wissenschaft in diesem Verständnis ist gefordert, wissenschaftliche Ergebnisse zur Verfügung zu stellen und eben gerade nicht, sich in Fragen der Politik einzumischen.
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Staatsbürgerschaftsrecht neu – kein Best-Practice-Modell

Das österreichische „Staatsbürgerschaftsrecht neu“ ist seit dem Frühjahr dieses Jahres in Kraft. Es sieht vor, dass sogenannte „sehr gut integrierte“ AusländerInnen schon nach sechs, statt wie seither nach zehn Jahren die Einbürgerung in Österreich beantragen können. Unter sehr gut integriert versteht Integrationsstaatssekretär Kurz: „Nach sechs Jahren erhält die Staatsbürgerschaft, wer sechs Jahre regelmäßig einer Arbeit nachgeht, Steuern und Abgaben zahlt, keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen hat und über Deutschkenntnis auf Maturaniveau als erste lebende Fremdsprache (B2-Level) verfügt. Bei geringeren Deutschkenntnissen (Mittelschulniveau erste lebende Fremdsprache, B1-Level) ist ein dreijähriges, ehrenamtliches Engagement bei einer gemeinnützigen Organisation (Feuerwehr, Rotes Kreuz, Samariter etc.) oder beruflich im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsbereich oder ehrenamtlich in einem nicht gesetzlichen Interessenverband (Elternvertretung, Betriebsrat) vorzuweisen.“ Gerne spricht Kurz in diesem Zusammenhang auch von „Anerkennung von Leistung“ – die Anerkennung der Leistung erfolgt nach seiner Lesart in Form der Verleihung der Staatsbürgerschaft.

Befasste sich Sozialphilosoph Axel Honneth mit der österreichischen Einbürgerungspraxis, würde er vermutlich an dieser Stelle aufhorchen.
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Integration im Stadtteil. Gesellschaftliche Integration aus sozialräumlicher Perspektive.

Im April dieses Jahres titelte die Wochenzeitschrift „Die Zeit“: „Es gibt keine Ghettos! Wie lassen sich Migranten am besten integrieren? Nicht durch naive Toleranzappelle, sondern durch Segregation“. Der Autor, Soziologe Walter Siebel, plädiert dafür, mit dem Thema Segregation möglichst offen umzugehen. Unter Segregation – ursprünglich ein negativ besetzter Begriff – versteht man die Abtrennung von einzelnen Bevölkerungsgruppen in eigenen, dann von ihnen zahlenmäßig dominierten Stadtteilen. Segregation gelte es dann zu vermeiden, wenn sie unfreiwillig geschieht. Dies kann die Folge von kollektiv niedrigen Einkommen sein, die es den Betroffenen nicht erlauben, in „bessere“ Stadtteile zu ziehen. Erfolgt Segregation aber freiwillig, so ist sie positiv zu bewerten, denn sie bietet Vorteile für die Betroffenen. Beispielsweise folgt die gemeinsame Ansiedlung in den sogenannten ethnisch segmentierten Quartieren dem Bedürfnis der Eingewanderten nach vertrauten sozialen Netzwerken. Segregation wirkt dadurch insgesamt integrativ.

Diese differenzierte Haltung, die einen Gegenbegriff zum angstbesetzten Begriff der Parallelgesellschaft darstellt, ist äußerst begrüßenswert – ebenso das Kredo an die Politikverantwortlichen in den Städten, dafür zu sorgen, dass MigrantInnen eine möglichst freie Wahl des Wohnumfelds zur Verfügung gestellt bekommen. Sie ist umso mutiger, als dass Segregation sicherlich auch Schwierigkeiten – wie der im Artikel angeführte gebremste Spracherwerb des Deutschen im Alltag – zur Folge haben kann.

Zwei Punkte sollen hier dennoch kritisiert werden:

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“La salida de españoles se dispara un 36,6% este año por la crisis”

 „Die Auswanderung von Spaniern schnellt aufgrund der Krise um 36,6% in die Höhe“ titelte die spanische Tageszeitung El País am 25. Dezember vergangenen Jahres

„Sie gehen”, heißt es im Artikel weiter. „Zwischen Januar und September dieses Jahres  packten 50.521 Spanier ihre Koffer Richtung Ausland. Dies sind 36,6% mehr als diese Entscheidung im Jahr 2010 trafen.“ Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte des Landes übertrafen die Auswanderungen die Einwanderungen, so El País. „Es ist die Auswirkung der Wirtschaftskrise. Großbritannien, Frankreich, die USA und Deutschland sind die bevorzugten Ziele.“

Der hier angehängte Artikel wird diese Wanderungsbewegung anhand statistischen Materials über die Ein- und Ausreiseländer, anhand von Kennzeichen der emigrierenden Personen und den Umgang mit ihnen in den Einreiseländern beschreiben. Wie sich zeigen wird, sind viele dieser Merkmale durchaus von früheren Wanderungsbewegungen bekannt, ihr gleichzeigites Auftreten jedoch ist neuartig. Haben wir es also mit einem neuen Phänomen zu tun, mit einer – vorsichtig forumliert – neuen Form europäischer Krisenwanderung?

Der Beitrag soll, anhand des Beispiels Spanien, einen ersten Überblick zu dieser Frage verschaffen. Zudem sollen die angeführten Merkmale es erlauben, Wanderungen auch aus anderen aktuell von der Krise betroffenen Staaten und eventuelle zukünftige Krisenwanderungen systematisch bewertbar zu machen.

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Der Wiener Weg zu sozialer Integration – Ein Kommentar zum SPÖ-Papier „Wiener Positionen zum Zusammenleben“

Mit den „Wiener Positionen zum Zusammenleben“ legen die  SPÖ Wien und ihr Bürgermeister Dr. Michael Häupl ein Papier vor, das ein wünschenswertes Zusammenleben der Wienerinnen und Wiener in sechs Beschreibungen und Forderungen formuliert. Es handelt sich dabei um ein auf Wien zugeschnittenes Integrationspapier, in dem das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft angesprochen wird: „Wien. Menschen aus 183 Ländern. Eine Stadt. Ein Lebensgefühl“, heißt es im Untertitel.

Ein zentrales Thema bei der Beurteilung von Integrationsprozessen stellen die Konstruktionen von Selbst- und von Fremdbildern dar. „Wen meinen wir, wenn wir von ‚Wir‘ reden?“, „Wie sehen wir uns selbst?“ und „Wie sehen wir die Anderen?“ sind – auf den Punkt gebracht – die konkreten Fragen, die beantwortet werden müssen, um Vorstellungen von Integration auf einer gesellschaftlichen Ebene grundsätzlich bewertbar zu machen. In den „Wiener Positionen zum Zusammenleben“ gibt die Wiener SPÖ, und mit ihr Michael Häupl, Hinweise auf die Beantwortung dieser Fragen.

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Umstrittene neue Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ vorgestellt

Die Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“, die vergangene Woche vom deutschen Bundesinnenministerium herausgegeben wurde, erhielt – nicht zuletzt durch die problematische Präsentation durch den deutschen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) – hohe mediale Aufmerksamkeit. Verschiedene Politiker – auch aus der Regierungskoalition – lehnen Friedrichs einseitiges Vorgehen ab: Er informierte die Bild-Zeitung vorab mit überwiegend negativen Teilergebnissen. Auch seine eigene konfliktfördernde Rhetorik  ist Teil der Kritik.

Neben Friedrichs Kompetenz wird allerdings auch die Studie selbst angezweifelt. In der zentralen Fragestellung werden die Begriffe „Integration“ und „Radikalisierung“ als Gegenpole vorgestellt, die weniger als Auswirkungen individueller oder gesellschaftlicher Prozesse, denn mehr als Zustände verhandelt werden, in denen sich junge Menschen befinden. Dadurch trägt die Untersuchung eher zur Festigung dieser gewachsenen Positionen bei, in denen sich Einzelne befinden, anstatt die Gruppe der muslimischen MigrantInnen grundsätzlich anzuerkennen und so einen Dialog gleichberechtigter und gleichwertiger gesellschaftlicher Gruppen zu fördern.

Im Originaltext lautet die Fragestellung der Studie wie folgt:

„Welche Kriterien lassen sich empirisch begründen, um junge Muslime in Deutschland auf der Grundlage ihrer Einstellungen und Verhaltensweisen als integriert beziehungsweise radikalisiert und unter Umständen extrem islamistisch beurteilen zu können?“

Dass Wissenschaft auch anders kann, zeigt die Studie „In Sippenhaft. Negative Klassifikationen in ethnischen Konflikten“ des Soziologen Ferdinand Sutterlüty aus dem Jahr 2010. Hier werden bestimmte Formen der Ausgrenzung thematisiert und erklärt, die gerade im Falle erfolgreicher Integration, beispielsweise bei beruflichem Erfolg oder aktiver politischer Partizipation, auftreten.

Sutterlütys Buchveröffentlichung wird im neuesten Wissens-Update  in zusammengefasster Form präsentiert und kritisch gewürdigt.

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„Integration durch Leistung“ – Zum Integrationsleitbild des Staatssekretariats für Integration

Einer der zentralen Punkte, die Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz in der Sendung „FM4 connected“ am vergangenen Montag nachmittag vorstellte, war das Integrationsleitbild „Integration durch Leistung“. Dieses Leitbild sieht vor, die Leistungsbereitschaft und Leistungswilligkeit von MigrantInnen als Maßstab für Sozialintegration zu werten. „Wir wollen, dass Menschen nicht danach beurteilt werden, welche Hautfarbe sie haben, welcher Religionsgemeinschaft sie angehören, oder von woher sie nach Östereich gekommen sind, sondern schlicht und einfach danach, was sie in Österreich weiterbringen wollen, und ob sie bereit sind, hier auch einen Beitrag zu leisten“, so Kurz in der Sendung. Positiv an dieser Betonung der Leistungsfähigkeit ist sicherlich, dass sie einen Versuch darstellt, dem oftmals einseitigen und stigmatisierenden medialen Integrationsdiskurs ressourcen- und lösungsorientierte Ansätze entgegenzuhalten. Und so meint Kurz auch: „Wenn wir die Leistung von Migrantinnen und Migranten in den Vordergrund stellen, dann werden wir es auch schaffen, Schritt für Schritt die Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen. Und wenn wir das Thema Leistung in den Vordergrund stellen, dann schaffen wir es auch, dass in Österreich mehr darüber diskutiert wird, was wir eigentlich tun können, um diese Leistung auch zu ermöglichen.“ Damit spricht er gewissermaßen die andere Seite der Medaille an: die Bereitschaft der Mehrheitsbevölkerung, MigrantInnen zu integrieren und eine gesellschafltliche und politische Struktur, die Chancengleichheit fördert. Und dieser Punkt stellt einen wesentlichen Fortschritt in der Integationspolitik Österreichs dar: Kurz steht für Gleichheit und Gleichwertigkeit aller in Österreich lebenden Menschen, indem er Leistung nicht von der Herkunft der Person abhängig macht, sondern als gleichermaßen gültigen Wert für alle einsetzt. Dennoch und bei allem Fortschritt – eine Frage, die sich aus dem Gegenüber der beiden Perspektiven ableitet, lautet: Warum betont Kurz die individualisierende Seite so sehr – diejenige Seite nämlich, welche die Leistung der MigrantInnen anspricht und nicht die Seite, die die gesellschaftliche Verantwortung in den Vordergrund rückt? Ein Leitbild aus dieser Perspektive heraus formuliert könnte dann heißen: „Integration durch gelebte Chancengleichheit und durch Gleichstellung und Chancengerechtigkeit in allen gesellschaftlichen Belangen“.

Denkt man weiter, resultieren drei Punkte aus Kurz‘ Rhetorik.

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Stilblüten 3 – Lebensstil und Migration

„Stilblüten 3 – Lebensstil und Migration“ verbindet – wie der Titel schon sagt – zwei Themenbereiche, die in den Gesellschaftswissenschaften selten in Kombination auftreten. Migration wird meist als mehr oder weniger problematischer Bereich, verbunden mit dem Themenkomplex der Integration, variiert. Lebensstilforschung steht dagegen oft im Verdacht eine Art „Gesellschaftswissenschaft light“ zu repräsentieren, bei der es weniger um das Aufspüren von Ursachen gesellschaftlich relevanter Phänomene geht, als um Fragen von Freizeitaktivitäten einer Gesamtgesellschaft.

Diesen Annahmen setzt Sinus Sociovision eine „Migrantenstudie“ entgegen, die eine „migrantische Sozialstruktur“ anhand von beruflich-ökonomischen Schichten in Verbindung mit Werten, Einstellungen, kulturellen Merkmalen und Praktiken erstellt. Diese Studie wird in „Stilblüten 3 – Lebensstil und Migration“ vorgestellt und vor dem Hintergrund von Pierre Bourdieus Habituskonzept kritisch reflektiert.

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50 Jahre Einwanderung aus der Türkei – auch bald in Österreich

Am 30. Oktober 1961 wurde zwischen Deutschland und der
Türkei ein Abkommen zur „Anwer­bung und Ver­mitt­lung aus­län­di­scher
Ar­beit­neh­mer“ geschlossen, mit dem gezielt „Gastarbeiter“ angeworben wurden.
Auch Österreich hatte ein vergleichbares Abkommen mit der Türkei, das knapp
zwei Jahre später, am 15. Mai 1963, in Kraft trat.

Die Titulierung „Gastarbeiter“ gibt eine Vorstellung der
damaligen Sicht auf Migration wieder: MigrantInnen waren willkommen als Gäste,
die für eine gewisse Zeit arbeiten sollten, um anschließend wieder in ihre
Heimat zurück zu kehren. Längst ist bekannt, dass sich die Geschichte – oft
auch aus Sicht der MigrantInnen – anders als erwartet und geplant entwickelt
hat.

Mittlerweile wird unter MigrantInnen nur noch eine Teilmenge
der „Menschen mit Migrationshintergrund“ verstanden, die auch in Deutschland
Geborene mit Eltern aus anderen Ländern beinhaltet: die zweite Generation. Im
öffentlichen Diskurs ist sogar schon oft von der dritten und vierten Generation
die Rede, die es im sozialwissenschaftlichen Kontext gar nicht gibt, denn – so
die Begründung – die Eltern eines Migranten der dritten Generation sind ja
schon in Deutschland geboren, so dass er zumindest statistisch nicht mehr zur
Gruppe der MigrantInnen gezählt wird.

Die Realität sieht allerdings oft anders aus. Spezifische
Integrationsprobleme betreffen eine dritte und vierte Generation unter
Umständen genauso wie die Eltern- und Großelterngeneration – oder sogar noch
mehr, da sie in Fragen der Identität oft zwischen den Stühlen sitzen. Dem
Zusammenhang zwischen Identität und der Integration in den Arbeitsmarkt geht
das renommierte Institut zur Zukunft der Arbeit, Bonn (IZA) in verschiedenen
Diskussionspapieren nach. Es handelt sich dabei um wissenschaftliche Studien
aus dem Bereich der Ökonomie.

Der Beitrag  Ethnische Identität und Erfolg am Arbeitsmarkt befasst
sich kritisch mit diesen Studien.

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