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Demokratie als Sisyphos-Arbeit? Veranstaltung zum 100. Geburtstag von Albert Camus

Am 7. November 2013 wäre der französische Widerstandskämpfer, Philosoph, Schriftsteller, Regisseur, Journalist und Nobelpreisträger Albert Camus 100 Jahre alt geworden. Sein Werk ist nach wie vor aktuell und nicht nur vom literarischen Standpunkt aus anspruchsvoll, sondern auch für die Sozialwissenschaften anregend und inspirierend. Während seine Romane „Der Fremde“ und „Die Pest“ stets als Klassiker der Weltliteratur gefeiert wurden, schien man seine Philosophie eines widerständigen und radikalen Pazifismus nach seinem Zwist mit Jean-Paul Sartre in den 1950er Jahren und seinem tödlichen Autounfall 1960 beharrlich zu ignorieren. Erst in letzter Zeit erhält sie wieder erhöhte Aufmerksamkeit.  Camus verurteilte die Heilsversprechungen und Prophezeiungen einer besseren Welt, egal aus welcher ideologischen Richtung sie kamen. Keine Utopie habe das Recht, das Glück der gegenwärtig lebenden Menschen einzuschränken. Gegenwärtige Ungerechtigkeiten dürfen demnach nicht mit einer goldenen, aber fernen Zukunft gerechtfertigt werden. Der Einzelne müsse sich gegen Misstände im Hier und Jetzt auflehnen, sich empören und einmischen. Der vor kurzem so populär gewordene Aufruf „Empört euch“ des französisch-deutschen Diplomanten Stéphane Hessel, ist derselben Grundhaltung geschuldet. Politisch höchst aktuell sind auch Camus´ Texte über das Fremdsein, die Abschaffung der Todesstrafe, über eine europäische Föderation und eine globale Demokratie. Das Literaturhaus Salzburg würdigt ihn mit einer Veranstaltung am 30. Oktober um 19 Uhr, in der es um die Frage nach der Aktualität seines Werkes im 21. Jahrhundert geht.

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Transhumanismus, oder: das bessere Leben ohne uns

Gastvortrag von Prof. Dr. Richard Saage am ZfZ

ImageMit Prof. Dr. Richard Saage besuchte am 23. Mai der wohl renommierteste Utopieforscher im deutschsprachigen Raum das Zentrum für Zukunftsstudien und die Fachhochschule Salzburg. In einem Gastvortrag diskutierte Saage die Frage, ob die transhumanistische Bewegung an die Tradition großer utopischer Gesellschaftsentwürfe anschließen kann oder nicht. Dieser Anspruch steht zumindest im Raum: Ziel des Transhumanismus ist die Verbesserung des Menschen. Durch genetische Manipulation, Nanotechnologie, Einnahme von Wirkstoffen oder Anreicherung des Körpers mit maschinellen Anteilen (Implantaten) soll die menschliche Evolution in die eigene Hand genommen werden. Es geht dem Transhumanismus um die Verlängerung des menschlichen Lebens, als Fernziel winkt gar die Unsterblichkeit.

So abwegig und befremdlich sich die konkreten Vorhaben des Transhumanismus darstellen, so weit ist dessen Verbreitung und auch seine mediale Aufmerksamkeit (z.B. [1], [2]). Dies war auch eine Warnung, die Saage gleich zu Beginn seines Vortrags aussprach: Auch wenn der Transhumanismus zuweilen Merkmale einer spleenigen Modeströmung aufweist [3], sollte man ihn nicht auf die leichte Schulter nehmen. Nicht wenige DenkerInnen und LenkerInnen fühlen sich dieser Bewegungen verpflichet, die – schaut man genauer hin – zentrale Elemente europäischer Denktraditionen und Gesellschaftsentwürfe für obsolet erklärt. Richard Saage hat genauer hingeschaut und arbeitete in seinem Vortrag mehrere grundsätzliche Unterschiede zwischen transhumanistischen Entwürfen und klassischen Utopien heraus:

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Vitalisierung der Demokratie

Wie kann die österreichische Demokratie vitalisiert werden? Welche Rolle spielt dabei die Zivilgesellschaft? Und warum sollte die Politik mehr Bürgerbeteiligung fördern? Diesen und anderen Fragen wurde bei der Tagung „Vitalisierung der Demokratie“ am 14. Juni 2013 im Bildungshaus St. Virgil nachgegangen.

Markus Pausch vom Zentrum für Zukunftsstudien trug zum Thema „Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung als staatliches Politikfeld“ vor und diskutierte mit Stefan Wallner, Bundesgeschäftsführer der Grünen, Anja Hagenauer, Integrationsbüro Stadt Salzburg, Peter Braun, St. Virgil sowie Hannes Wezel, Baden Württemberg. Mehr Infos unter: Tagung „Vitalisierung der Demokratie“ St. Virgil

Auszüge aus dem Vortrag von Markus Pausch: Zivilgesellschaft-StVirgil

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Zukunftskonzept „Work Place Democracy“: Wie demokratisch sollen Unternehmen sein?

„Workplace Democracy“ nennt sich ein Konzept aus den 1970er Jahren, das von VertreterInnen der partizipatorischen Demokratie entwickelt wurde, allen voran von Carol Pateman. Dem damaligen Zeitgeist entsprechend sollten alle Lebensbereiche demokratisiert werden. Das Argument war einfach und plausibel: Nur wer Demokratieerfahrungen im Alltag macht, kann sich zum/r demokratischen BürgerIn entwickeln und einer Rolle als Citoyen(ne), als mündige/r DemokratIn gerecht werden. Bildungseinrichtungen und Unternehmen sollten als jene Institutionen, in denen die Menschen einen Großteil ihres Lebens verbringen, von einer Demokratisierung nicht ausgenommen sein. Im Gegenteil: Sie sollten zu Schulen der Demokratie werden. Die Idee setzte sich nicht durch. Weder Bildungseinrichtungen noch Unternehmen haben sich dem Konzept entsprechend demokratisiert. In den meisten Fällen sind sie hierarchisch strukturierte Organisationen geblieben, häufig argumentiert mit der organisationslogischen Unmöglichkeit von Demokratie. Weiterlesen

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Was bringt die direkte Demokratie in Salzburg?

In der Stadt Salzburg wird seit einiger Zeit die Einführung neuer Instrumente direkter Demokratie diskutiert. Angelehnt an das in deutschen Bundesländern gültige dreistuftige Modell mit Initiativantrag, Bürgerbegehren und Volksentscheid sollen die BürgerInnen die Möglichkeit bekommen, sich initiativ in die Gesetzgebung einzubringen. Damit entspricht man einem Trend, der in den letzten Monaten und Jahren in Österreich immer stärker wird: dem Ruf nach mehr direkter Demokratie. Derzeit gibt es eine Reihe von Akteuren, die sich zum Ziel gesetzt haben, direktdemokratische Instrumente zu stärken. Dazu zählen u. a. die Initiativen „Mehr Demokratie“ und „Mein Österreich“, aber auch – mit jeweils unterschiedlichen Detailvorstellungen – fast alle größeren politischen Parteien. Der Grund für die derzeitige Popularität der direkten Demokratie ist die Unzufriedenheit mit der repräsentativen Demokratie, besonders mit der Parteipolitik. Seit Jahren ist das Vertrauen der Bevölkerung in die politischen Eliten relativ gering. Korruptionsskandale und Wirtschaftskrise verschärfen diesen Stimmungstrend. Die Stärkung der BürgerInnen im politischen Prozess soll die negativen Auswüchse der Parteiendemokratie in Grenzen halten und zu „echter Demokratie“ beitragen. Die Erwartungen an die direkte Demokratie sind hoch. Sie soll die Menschen politisch mobilisieren, das Interesse an Politik erhöhen, zu mehr Mitsprache führen, Ungerechtigkeiten abbauen und das Vertrauen in das politische System stärken. Ob sie in Salzburg das alles erfüllen wird, ist eine andere Frage.  Weiterlesen

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Die direkte Demokratie als Zukunftsmodell für Österreich?

Die Unzufriedenheit vieler WählerInnen mit der Politik hat dazu geführt, dass die österreichischen Parteien sich Gedanken über das politische System machen. Dabei wird immer öfter eine Stärkung der direkten Demokratie ins Spiel gebracht. Sie solle dafür sorgen, dass der Volkswille wieder stärkere Berücksichtigung in den politischen Entscheidungen findet. Die ÖsterreicherInnen sollen ähnlich wie die Schweizer NachbarInnen in Volksabstimmungen über verschiedene Fragen entscheiden können. Diese Forderung taucht seit vielen Jahren immer wieder auf. Die Freiheitlichen unter Jörg Haider haben die direkte Demokratie schon in ihrem umstrittenen Modell der Dritten Republik forciert. Die SPÖ verspricht Volksabstimmungen in Europafragen. Die ÖVP hat Sebastian Kurz beauftragt, über entsprechende Modelle nachzudenken. Die Grünen gelten seit jeher als VerfechterInnen von Basisdemokratie. Dabei wird manchmal übersehen, dass die direkte Demokratie voraussetzungsreich ist.

Tabelle 1: Qualitäten politischer Partizipation

Sie braucht, um positive Effekte für die Individuen und auch die Gesellschaft hervorbringen zu können, politisch gebildete und kompetente BürgerInnen sowie eine hohe politische Kultur. Um diese Qualitäten auszubilden, muss der Staat in seinem Bildungssystem darauf Bedacht nehmen, mündige BürgerInnen hervorzubringen, die sich kritisch und kompetent mit der Politik auseinandersetzen können. Ansonsten birgt die direkte Demokratie auch Gefahren in sich. Erstens spitzt sie komplexe Sachverhalte auf vereinfachte Ja/Nein-Fragen zu und produziert somit GewinnerInnen und VerliererInnen. Kompromiss- oder Verhandlungslösungen sind in ihr nicht vorgesehen. Zweitens ist sie ein beliebtes Instrument von PopulistInnen, deren politische Kommunikation darauf abgestimmt ist, manipulativ zu argumentieren und auch vor Hetzkampagnen nicht zurückzuschrecken. Drittens werden über aggressive Kampagnen relativ rasch auch Ausgrenzungen einzelner Bevölkerungsgruppen möglich, wie das an so manchen Abstimmungen in der Schweiz deutlich wird. Schließlich führt ein auf direkte Demokratie ausgerichtetes politisches System zu einem Mobilisierungs- und Verantwortungsdruck für die StaatsbürgerInnen, die regelmäßig und häufig über komplexe Themen entscheiden sollen, während sich die PolitikerInnen von ihrer Verantwortung verabschieden und alles dem Volkswillen überlassen können. So liegt auch in der Schweiz die Beteiligungsrate bei Referenden in der Regel nicht über 50 %. Trotz dieser Probleme ist eine Stärkung der direkten Demokratie in Österreich sehr wahrscheinlich, wie immer sie im Detail auch aussehen mag. Gleichzeitig wird derzeit aber im Bildungssystem jener Bereich zurückgefahren, in dem es um die politische Bildung der BürgerInnen geht. So wurde etwa vor kurzem erst die einzige Professur für politische Bildung in Österreich gestrichen. Die erhofften positiven Effekte von Partizipation, nämlich eine höhere Legitimation des politischen Systems sowie das individuelle Gefühl, mehr politischen Einfluss zu haben, werden sich durch die Stärkung direktdemokratischer Elemente nicht automatisch einstellen. Dazu bräuchte es gleichzeitig eine Stärkung nachhaltiger politischer Bildung auf allen Stufen des Bildungssystems. Das allerdings braucht Zeit und eignet sich nicht für kurzfristigen Stimmenfang,  wie auch im neuen Working Paper des ZfZ argumentiert wird.

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„Empört euch“ oder „Die Qualitäten politischer Beteiligung“

Seit einiger Zeit werden in regelmäßigen Abständen Umfragen zitiert, die das mangelnde Vertrauen der Menschen in die politischen Parteien und die BerufspolitikerInnen aufzeigen. Die BürgerInnen haben offenbar vermehrt das  Gefühl, nicht an den politischen Entscheidungen, die sie betreffen, teilhaben zu können, sondern ohnmächtig den Regierenden ausgeliefert zu sein. Dieses Gefühl führt zur so genannten Politikverdrossenheit und zu Partizipationsverweigerung: Wozu wählen, wenn es nichts ändert? Neben der Resignation gibt es aber auch einen anderen Weg, auf dieses Gefühl zu reagieren, nämlich durch Aktivität und Engagement. Der Aufruf „Empört euch“ des französisch-deutschen Intellektuellen Stéphane Hessel oder die Stuttgarter „Wutbürger“ stehen symbolisch dafür. Um die Möglichkeiten der politischen Partizipation in einem System nutzen zu können, sind aber gewisse Voraussetzungen notwendig. Von seiten des Staates müssen Teilhabemöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, von seiten des Individuums braucht es politisches Interesse, ein gewisses Maß an Courage und an politischer Bildung. Letztere wiederum wird von der Politik nicht immer ausreichend unterstützt. In einem vor kurzem erschienen Artikel  (Autor: Markus Pausch) werden die Qualitäten politischer Partizipation genauer unter die Lupe genommen.

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Der europäische (Alb-)Traum

Die Europäische Union befindet sich in einer der schwersten Krisen seit ihrem Bestehen. Diese Krise ist aber nicht allein eine ökonomische, sondern auch und  zu einem beträchtlichen Teil eine politische. Die EU ist für ihre BürgerInnen nach wie vor ein weit entfernter Machtapparat, in dem Mitbestimmung und Demokratie nur mangelhaft ausgeprägt sind. Gerade in der Krise verstärkt sich dieser Eindruck dramatisch. Viele Menschen stehen dem europäischen Integrationsprojekt skeptisch gegenüber, fühlen sich ohnmächtig und fordern Veränderungen. Die Kluft zwischen den Eliten und der Bevölkerung wächst, was die Demonstrationen in Griechenland und Spanien eindrucksvoll aufzeigen.

An den Polen der zukünftigen Entwicklung zeichnen sich zwei Varianten ab: auf der einen Seite eine Renationalisierung, der Zerfall der gemeinsamen Währung und ein Europa der Nationalstaaten, wie es sich manche rechtsextreme Politiker schon lange wünschen. Auf der anderen Seite eine föderale, soziale Union mit mehr Demokratie und Mitsprache, die von den BürgerInnen gestützt wird. In welche Richtung es gehen wird, ist offen. Hinweise gibt es für das eine wie für das andere, darunter auch pathetische Initiativen und Versuche, den EuropäerInnen eine Stimme zu geben, ihren europäischen Traum zu formulieren (siehe dazu http://www.uniteddreamsofeurope.eu/). Wirksam können solche Initiativen freilich nur dann werden, wenn sie es schaffen, keine elitären Träume zu bleiben. Denn diese allein ändern an den realen Verhältnissen, Unsicherheiten und Ängsten der Menschen wenig. Um Europa nachhaltig aus der Krise zu führen, um den europäischen Traum nicht zu einem Albtraum werden zu lassen, braucht es Solidarität und demokratische Strukturen, in denen Diskussionen und Konflikte auf breiter Basis ausgetragen werden können. Denn die EU ist kein Elitenspielplatz, sondern eine Res Publica: eine öffentliche Angelegenheit. Eine ausführlichere Analyse der demokratiepolitischen Defizite der EU kann in einem kürzlich erschienen Artikel im Turkish Journal of International Relations nachgelesen werden: Hier geht’s zum Artikel www.alternativesjournal.net

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