Beim EU-Gipfel vergangenen Freitag wurden weitreichende Maßnahmen beschlossen und an dieser Stelle bereits skizziert. Die Staatschefs der Europäischen Union (speziell jene der Euro-Länder) wollen wirtschaftlich näher zusammenrücken, und in Zukunft ihre Fiskalpolitik aufeinander abstimmen (Dokumente hier und hier). Dazu zählen folgende Maßnahmen:
A. Fiskalpolitische Disziplin:
- In den Einzelstaaten sollen Schuldenbremsen im Verfassungsrang beschlossen werden, die die Neuverschuldung auf 0,5% begrenzt – die EU-Kommission legt Prinzipien für die grundlegende Funktionsweise dieser fiskalpolitischen Regel fest.
- Mitgliedsstaaten die Teil der Excessive Deficit Procedure sind, werden von der Kommission in ein partnership programme gezwungen, dass die Strukturreformen (meist Liberalisierung und Flexibilisierung) für dieses Land festlegt.
- Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich im Vorhinein (ex ante) ihre zukünftigen Schulden zu melden.
- Bei einem Neudefizit von mehr als 3% des BIP werden Maßnahmen gesetzt, um die Neuverschuldung zu senken (allerdings ohne weitere Spezifizierung).
B. Stärkung der Stabilisierungsinstrumente:
C. Details zum ESM:
- Der ESM soll den privaten Sektor mit einschließen und sich an den dafür vorgesehenen Prinzipien und Praktiken des IWF orientieren.
- Die Stimmrechte werden so geändert, dass in Krisenfällen 85% Zustimmung für einen Beschluss genügen – die Einstimmigkeit fällt damit.
Conclusio:
Grundsätzlich ist die Bereitschaft der EU, fiskalpolitisch näher zusammenzurücken, begrüßenswert. Dabei kann auch darüber hinweg gesehen werden, dass Großbritannien sich – fast schon traditionell – einer weiteren Integration entgegengestellt hat. Begrüßenswert sind auch die Initiativen in Richtung eines Stabilitätsmechanismus, der in Not geratene Staaten Kapitalspritzen geben kann. Die Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips ist zu begrüßen, Blockaden werden so weniger wahrscheinlich und mit 85% erforderlicher Zustimmung liegt die Latte ohnehin relativ hoch.
Weniger erfreulich ist, dass die EU offensichtlich Gefallen an dem alten Beispiel der schwäbischen Hausfrau findet, die in der Not sparen muss, um ihre Schulden bedienen zu können. Die Staatschefs der Europäischen Union haben sich für einen rigiden Sparkurs mit automatischen Schuldenbremsen (im Verfassungsrang) entschieden. Problematisch hierbei ist vor allem die eingeschränkte Fähigkeit der öffentlichen Haushalte auf zukünftige Krisen adäquat reagieren zu können. von den demokratiepolitischen Problemen ganz zu schweigen. Die Kosten kurz- und langfristig werden wir alle zu tragen haben: Höhere Arbeitslosigkeit, Abwanderung aufgrund fehlender Perspektiven und der drohende Verlust des gesellschaftlichen Zusammenhalts. In einer aktuellen Presseaussendung sieht das WIFO die Gefahr, dass die Sparbemühungen der EU-Staaten zu einer weiteren Dämpfung der Konjunktur führen kann. Übersetzt: Mehr Arbeitslose, mehr Transferausgaben, mehr Schulden, mehr Sparen. Ein Teufelskreis. Die EU scheint darauf zu warten, dass Wachstumsimpulse entweder aus den Schwellenländern (China, Brasilien, Indien) kommen, oder dass die Wirtschaft von selbst zurück ins Gleichgewicht findet, wenn man nur genug spart. Beides erinnert an den Hasen, der vor lauter Schreck vor der Schlange erstarrt.